Hast du dich schon mal gefragt, ob Insekten eigentlich auch schlafen? Und ob sie vielleicht sogar von ihren Erlebnissen träumen, so wie wir? Klingt verrückt, oder? Genau das schauen wir uns heute genauer an!
Inhalt
Der Schlaf
Schlaf ist ein wirklich spannendes Phänomen!
Stell dir vor, wir Menschen verbringen etwa ein Drittel unseres Lebens damit, zu schlafen. Das ist ziemlich viel Zeit! Aber wir sind da nicht allein – einige Tiere, wie zum Beispiel der Igel, schlafen sogar die Hälfte ihres Lebens. Andere wiederum, wie Schafe oder Elefanten, brauchen nur wenige Stunden Schlaf am Tag.
Aber egal, ob kurz oder lang, der Schlaf ist für alle Lebewesen unglaublich wichtig.
Während wir schlafen, sind wir praktisch von der Außenwelt abgeschottet. Das sieht man nicht nur an den Gehirnaktivitäten, die sich während des Schlafens verändern, sondern auch daran, dass wir die Augen schließen.
Aber genau das birgt auch Risiken. Denn wenn wir schlafen, können wir nicht auf Gefahren reagieren, die uns bedrohen könnten. Wir können auch nichts essen oder uns um unseren Nachwuchs kümmern.
Trotzdem ist Schlaf so wichtig, dass wir diese Nachteile in Kauf nehmen.
Ohne Schlaf könnten wir gar nicht überleben. Schon nach einem Tag ohne Schlaf spüren wir die Folgen: Unsere Konzentration lässt nach, wir werden vergesslich und vielleicht auch ein bisschen reizbar. Wenn wir noch länger wach bleiben, kann es sogar passieren, dass wir anfangen, Dinge zu sehen oder zu hören, die gar nicht da sind – unser Gehirn spielt uns dann regelrecht Streiche!
Schlaf ist also eine ziemlich komplexe Angelegenheit, die bei Wirbeltieren schon gut erforscht ist. Wir wissen zum Beispiel, dass es im Schlaf verschiedene Phasen gibt, wie die Tiefschlafphase, in der sich unser Körper regeneriert. Dabei spielt die REM-Schlafphase für unser Gedächtnis und das Lernen, aber auch für die Verarbeitung von Gefühlen.
Aber wie ist das jetzt bei Insekten?
Schlafen Insekten? Schließlich können sie ihre Augen nicht so schließen wie wir.
Man kann aber beobachten, dass sich einige Insekten spezielle Schlafplätze suchen und dabei eine bestimmte Haltung einnehmen.
Einige Wildbienen machen es zum Beispiel so: Sie beißen sich mit ihren Mandibeln an Grashalmen fest, um die Nacht sicher zu verbringen.
Schon 1912 hat man schlafähnliche Zustände bei Insekten beschrieben.
So bei Wespen, Zünsler, Schaben und Mücken. Sie alle wählen explizite Schlafplätze und nehmen eine ganz eigene Schlafhaltung ein. Auch bei Honigbienen kann man anhand ihrer Haltung sagen, ob sie schlafen oder nicht.
Spätere Versuche zeigten, dass schlafende Honigbienen nicht auf Bewegungen vor ihren Augen reagieren, während wache Bienen sofort darauf reagieren würden. Das deutet an, dass auch Insekten eine Art Schlaf haben könnten. Doch reicht das schon aus, um diesen Zustand als Schlaf zu bezeichnen?
Und dann kam die Fruchtfliege
Lange Zeit hat man die Idee, dass Insekten tatsächlich schlafen, in der Schlafforschung aber nicht wirklich ernst genommen.
Erst als man bei Fruchtfliegen entdeckte, dass während des Schlafens und des Wachseins dieselben Genemarker angeregt werden wie bei Säugetieren, hat man begonnen, den Schlaf von Insekten genauer zu untersuchen.
Denn diese Tatsache zeigt uns, dass bestimmte Mechanismen, die dafür sorgen, dass wir gut schlafen oder uns erholen, schon ziemlich alt sind. Sie sind evolutionär konserviert, das heißt, sie haben sich seit den frühen Zeiten der Evolution nicht groß verändert.
Es zeigt sich immer mehr, dass Schlaf bei ganz verschiedenen Lebewesen eine entscheidende Rolle spielt – egal ob groß oder klein!
Fruchtfliegen, so klein sie auch sind, erfüllen tatsächlich viele Kriterien, die wir für Schlaf kennen.
So wechseln sich im Laufe eines Tages bei ihnen Ruhe und Aktivität ab. Sie haben wiederholt Phasen von bis zu 157 Minuten, in denen sie nahezu unbeweglich sind und kaum auf äußere Reize reagieren.
Noch interessanter wird es, wenn man sich anschaut, was währenddessen in ihrem Gehirn passiert: Auch bei den Fruchtfliegen verändert sich die Gehirnaktivität im Schlaf, ähnlich wie bei uns Menschen. Und ja, ihr habt richtig gelesen – auch Insekten haben ein Gehirn!
Schlaf ist eine grundlegende Funktion – Bei Menschen wie auch bei Insekten. Vieles kommt uns da vielleicht bekannt vor.
So verändert sich zum Beispiel auch bei den Fruchtfliegen das Schlafbedürfnis mit dem Alter. Junge Fliegen schlafen viel länger als ältere
Aber wie weiß so eine kleine Fliege eigentlich, wann es Zeit zum Schlafen ist?
Vielleicht kennst du das Gefühl, dass du zu bestimmten Zeiten automatisch müde wirst, Hunger bekommst oder sogar ohne Wecker aufwachst. Das liegt an unserer sogenannten „inneren Uhr“ – ein Begriff, den du bestimmt schon einmal gehört hast. Diese innere Uhr wird auch als circadianer Rhythmus bezeichnet.
Fast alle Lebewesen haben so eine innere Uhr, die es ihnen ermöglicht, sich zeitlich zu orientieren. Wenn auch eher unbewusst. Bei uns Menschen beeinflusst die innere Uhr bspw. den Blutdruck, die Körpertemperatur und natürlich auch, wann wir schlafen und wach sind. Aber das ist noch nicht alles: Neben der inneren Uhr gibt es auch einen sogenannten homöostatischen Antrieb. Das ist eine Art „Schlafdruck“, der während des Wachseins zunimmt und während des Schlafens abnimmt.
Und ähnliche Muster haben Forschende auch bei Fruchtfliegen entdeckt. So könnte man sagen, dass auch die kleine Fruchtfliege merkt, wann sie müde wird und weiß, wann es Zeit ist, sich einen gemütlichen Schlafplatz zu suchen.
Man hat übrigens herausgefunden, dass der Schlaf bei Fruchtfliegen ihre Lernfähigkeit verbessert.
Wenn Honigbienen unter Schlafentzug leiden, können sie plötzlich nicht mehr so gut miteinander kommunizieren und haben echte Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Das ist, als würden sie in der großen, weiten Welt plötzlich nicht mehr wissen, wo es langgeht. Für eine Biene, die auf präzise Kommunikation und Orientierung angewiesen ist, um den Weg zu den besten Blüten zu finden und ihre Kolleginnen darüber zu informieren, kann das zu einem richtigen Problem werden.
Also es steht fest:
Auch Insekten müssen schlafen.
Manche machen das immer mal wieder im Laufe des Tages, andere lieber nachts, und wieder andere, wie der Nachtfalter, nutzen den Tag zum Ausruhen.
Aber wie sieht es eigentlich mit den Schlafphasen aus? Denn bei uns Menschen ist Schlaf ein ziemlich dynamischer Prozess. Es gibt nicht nur das Einschlafen und Aufwachen, sondern verschiedene Phasen, die wahrscheinlich alle ihre eigene wichtige Funktion haben. Aber haben Insekten auch solche Phasen?
Das haben sich Forschende ebenfalls gefragt und dabei spannende Untersuchungen angestellt. Sie haben die Gehirnaktivitäten von wachen und schlafenden Fruchtfliegen verglichen.
Die Forschenden stellten fest, dass Fruchtfliegen tatsächlich mindestens zwei verschiedene Schlafphasen durchlaufen – eine Phase mit erhöhter Gehirnaktivität, gefolgt von einer Phase, in der es deutlich ruhiger im Kopf der Fliege zugeht.
Bei uns Menschen ist ja bekannt, dass in den verschiedenen Schlafphasen unterschiedliche Dinge im Körper und auch im Gehirn passieren.
Jetzt kommt also die spannende Frage:
Träumen Insekten?
Bei uns Menschen, anderen Säugetieren und auch bei Vögeln passiert das Träumen während der REM-Schlafphase. Da Insektengehirne aber viel einfacher aufgebaut sind, könnte man annehmen, dass sie nicht träumen.
Aber Moment mal! Eine Studie aus dem Jahr 2015 wollte herausfinden, ob Honigbienen Erinnerungen im Schlaf reaktivieren können. Die Forschenden haben dabei etwas Faszinierendes entdeckt: Bienen, die bestimmte Gerüche im Schlaf wahrgenommen haben, zeigten am nächsten Tag eine bessere Gedächtnisleistung. Könnte das ein Hinweis darauf sein, dass Bienen träumen?
In ihrer Studie „Lernen und Gedächtnis: Träumen Bienen?“ schreiben die Forschenden:
„Die Daten deuten darauf hin, dass das Vorhandensein von Wiederholungen im Tiefschlaf bedeuten kann, dass Bienen traumähnliche Erfahrungen haben könnten, die den Non-REM-Träumen des Menschen entsprechen. Sollte dies zutreffen, würde dies neue Erkenntnisse über die Evolution der Kognition liefern. Die Beziehung zwischen abgerufenen oder spontanen Wiederholungsereignissen und Träumen bleibt jedoch nebulös.“
Warum immer Fruchtfliegen?
Jetzt haben wir sehr vieles in diesem Beitrag über Fruchtfliegen gehört und auch in anderen Forschungen werden häufig Fruchtfliegen genutzt. Doch wieso immer die kleine Fruchtfliege?
Stell dir vor, du möchtest herausfinden, wie ein kompliziertes Gerät funktioniert. Du könntest es an einem großen, teuren Gerät ausprobieren, das schwer zu reparieren ist, oder du nimmst ein kleineres Modell, das viel einfacher zu handhaben ist. Fruchtfliegen sind wie dieses kleine Modell. Sie haben viele der gleichen Bauteile wie wir Menschen – also Gene –, aber in einer kompakteren und einfacheren Version. Das macht es für die Wissenschaft leichter, zu verstehen, wie diese Bauteile funktionieren und was passiert, wenn sie kaputtgehen. Außerdem haben Fruchtfliegen den Vorteil, dass sie sehr schnell Nachwuchs bekommen und sich ihre Gene leicht verändern lassen. Das bedeutet, Forschende können in kurzer Zeit viele verschiedene Experimente machen und wichtige Erkenntnisse gewinnen, die auch für uns Menschen von Bedeutung sind. So helfen uns diese kleinen Fliegen dabei, große Fragen zu beantworten.
Und eine dieser großen Fragen war es herauszufinden, ob Insekten schlafen und träumen. Man kann also sagen, dass Insekten schlafen. Zwar nicht so wie wir Menschen mit Augen zu, was auch ohne Augenlieder recht schwer ist, doch sie gelangen durch andere Verhaltenssignale in einen Zustand der Ruhe, den die Wissenschaft als Schlafen definiert hat. Das Insekt ist relativ unbeweglich, schwer zu wecken, seine Temperatur kann sinken und es nimmt sogar eine bevorzugte Schlafhaltung ein.
Also wenn wir das nächste Mal ein kleines Insekt in Ruhe sitzen sehen, dann sollten wir leise weiter gehen. Es kann sein, dass es gerade schläft und träumt.
Einen großen Dank an Jonathan Vogel für die Korrektur des Textes und die Unterstützung!
Quellen
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